Kritiker: Geringverdiener "verhöhnt und diffamiert"

H.Schmidt/ Bericht der Rheinpfalz - bke

Kirchheimbolanden: jobcenter zieht umstrittenes Formular zurück


Verunglimpft und diffamiert sehen der Kreisvorstand der Grünen wie auch der Kreisvorsitzende der Linken, Helmut Schmidt, Geringverdiener im Donnersbergkreis durch den Text einer Eingliederungsvereinbarung des Jobcenters.


Jobcenter-Chef Klaus Theato spricht mit Bedauern von "unglücklichen Formulierungen", die Vordrucke seien umgehend aus dem Verkehr gezogen worden.

Anlass der Kritik ist eine Textpassage in einem Formular zur Maßnahme "Vom Mini-Job in die Sozialversicherungspflicht": Darin ist zu lesen, dass durch die Maßnahme "eine Sensibilisierung und Implementierung eines ,Sozialen Gewissens" etabliert und einer möglichen ,Handaufhalte-Mentalität" durch Intensivierung der individuellen fachlichen und sozialen Kompetenzen entgegengewirkt werden" soll.

Mit solchen Sätzen würden Geringverdiener "pauschal als arbeitsscheu und gewissenlos bezeichnet", heißt es in der Pressemitteilung der Grünen, die von den Vorstandsmitgliedern Norbert Willenbacher und Doris Hartelt unterzeichnet wurde. "Diese generalisierte Verunglimpfung einer durch die politisch-wirtschaftliche Situation in Deutschland in die Armut gedrängten Bevölkerungsgruppe ist nicht hinnehmbar", fügen sie an und fordern, die Maßnahme einzustellen und Qualität, Planung und Durchführung zu überprüfen. Da es sich um ein arbeitsmarktpolitisches Projekt des Landes handele, sei auch das Sozialministerium über das "inakzeptable Vorgehen des Jobcenter Donnersbergkreis" informiert worden,

Auch Helmut Schmidt von den Linken reagiert empört auf diese Formulierungen. "Als ich diesen Satz gelesen habe, war ich zunächst sprachlos ... und im nächsten Augenblick genauso empört wie diejenigen, die eine solche Eingliederungsvereinbarung unterschreiben sollen." Die Betroffenen würden verhöhnt, diffamiert und ohne Respekt behandelt, so Schmidt.

Jobcenter-Chef Theato betont, dass die Formulare auf die Kritik hin umgehend zurückgezogen wurden und mit den Kursteilnehmern in Rockenhausen gesprochen worden sei. "Einen Generalverdacht hegen wir gegenüber niemandem", betont der Jobcenter-Chef, ebenso, dass diese Formulierungen nicht die Grundhaltung des Jobcenters zum Ausdruck brächten. Die Passage sei wohl aus einem Konzeptionsentwurf des Trägers übernommen worden und nicht aufgefallen. Die Konzeption sei auch zur Genehmigung an das Sozialministerium gegangen.

Die Maßnahme selbst, die auch mit Mitteln des EU-Sozialfonds finanziert wird, verteidigt Theato indes. Mit ihr soll Menschen, die lediglich Mini-Jobs haben oder geringfügigen Beschäftigungen nachgehen, als sogenannte "Aufstocker" zusätzlich auf Leistungen des Jobcenters angewiesen sind, dabei geholfen werden, wieder in größerem Umfang arbeiten zu können. Dazu gebe es Kommunikationstraining, Workshops, bei Bedarf Praktika und individuelle Beratungen, um eventuelle Beschäftigungshemmnisse abzubauen. Damit entspreche die Maßnahme völlig der Zielsetzung, die das Sozialgesetzbuch der Arbeit des Jobcenters vorgebe, nämlich Menschen aus der Abhängigkeit von Sozialleistungen wieder in sozialversicherungspflichtige Beschäftgung zu führen.

Die Maßnahme, die im Januar mit 15 Teilnehmern in Rockenhausen gestartet sei und für jeden bis zu drei Monaten dauere, zeige auch bereits Erfolge, zwei Teilnehmer hätten ihre Beschäftigung schon im Januar aufstocken können. Die Maßnahme soll laut Theato demnächst auch in Kirchheimbolanden anlaufen. (bke)